Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Abgeordnete haben
Abgrenzungsschwierigkeiten zum normalen Bürger
Steuerprivileg für Abgeordnete Zitat:

»Zur Begründung heißt es in dem Beschluss,
der Abgeordnete entscheide "grundsätzlich frei
und in ausschließlicher Verantwortlichkeit gegenüber dem Wähler
über die Art und Weise der Wahrnehmung seines Mandats;
dies betrifft auch die Frage, welche Kosten er dabei auf sich nimmt".
Die pauschale Erstattung dieser Kosten
solle Probleme bei der Abgrenzung mandatsbedingter Aufwendungen
von anderen Ausgaben vermeiden.
Solche Abgrenzungsschwierigkeiten könnten auftreten,
da die Aufgaben eines Abgeordneten
aufgrund der Besonderheiten des Abgeordnetenstatus
nicht in abschließender Form bestimmt werden könnten,
so das Gericht.
Deshalb sei die Ungleichbehandlung
gegenüber den Werbungskosten von Arbeitnehmern
"dem Grunde nach sachlich gerechtfertigt".«
( 1 )


Abgeordnete sind
keine privilegierten Steuerzahler






"... dem Grunde nach sachlich gerechtfertigt".
Da irrt das Verfassungsgericht und stellt sich selbst außerhalb der Verfassung.
Vor dem Gesetz sind alle gleich, da gibt es keine Ausnahme und da kann auch ein Verfassungsgericht keine Ausnahme schaffen.

I. Die Grundrechte - Artikel 3
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Es gibt weder im Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung noch im Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung einen einzigen Gedanken der Verfassungsgeber, der einer Gruppe von Personen einen Status der Besonderheit zuerkennen darf, um diesen Grundsatz in der Verfassung auszuhebeln.

Artikel 19
(2) In keinem Falle darf
ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.


Daher ist die Entscheidung - auch wenn das Verfassungsgericht dafür die Verantwortung trägt - nicht mit der Verfassung zu vereinbaren.

Der Artikel 20 Abs. 4 im GG bekommt damit plötzlich eine sehr zeitnahe Bedeutung.

Artikel 20
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen,
haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand,
wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.


Die Frage ist nur, wie kann die Demokratie mit ihren eigenen Kräften gerettet werden, wenn sie von anderen mit Hilfe ihrer Schutz-Institutionen angegriffen wird.

Der Wähler scheint nur die Möglichkeit der Wahl zu haben, die aber findet nur in Abständen von 4, 5 oder 6 Jahren statt. Was dazwischen geschieht, darf er nicht beeinflussen?
Er ist nach der Verfassung der Staatssouverän und von ihm erhalten die Abgeordneten ihre Machtbefugnisse.

Artikel 20
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.
Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.


Den Abgeordneten steht es daher nicht frei, sich mit der Beurteilung der Steuerpflicht in eigener Sache über den Gleichheitsgrundsatz - ein unveräußerliches Menschenrecht ! - hinwegzusetzen.

Artikel 20
(3) Die Gesetzgebung ist
an die verfassungsmäßige Ordnung
,
die vollziehende Gewalt und
die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.


In Italien ist es einem Angeklagten, gegen den mehrere Gerichtsverfahren eingeleitet waren, gelungen, durch eine demokratische Wahl Chef einer Regierung zu werden und in demokratischen Entscheidungsprozessen, seiner Verurteilung durch die Veränderung der Strafgesetzgebung zu entkommen.

Jede sogenannte Lobbyarbeit ist mit der Verfassung nicht vereinbar.
Es ist notwendig geworden, jede Handlung der Lobbyarbeit in das Strafgesetzbuch als strafbare Handlung aufzunehmen.
Denn es ist nicht im Sinne der Verfassung, wenn eine Gruppe von Interessenten die Gesetzgebung nach ihren wirtschaftlichen Absichten ausrichten will.

Zitat:
»Liegt ein Gleichheitsverstoß vor,
ist in der Regel eine bloße Erklärung der Verfassungswidrigkeit geboten.
Auch um der Gefahr zu begegnen,
dass die Gerichte und letztlich das Bundesverfassungsgericht
durch ihre Einschätzung
in den Bereich der Gesetzgebung übergreifen.«
( 2 )

Soviel Vorsicht gegenüber dem Verfassungsgericht. Aber offene Türen für die Lobby!

Die Schwierigkeit bei der Abgrenzung von Werbungskosten ist im Steuerrecht seit vielen Jahren nicht unbekannt. Dazu hat der Bundesfinanzhof eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt.
Aus diesen Erfahrungen ist es nicht unmöglich, auch bei Abgeordneten diese Abgrenzung zu finden und diese Unklarheit nicht hinter einer pauschalen Unaufgeklärtheit verschleiern zu wollen.

Das kann auch nicht im Sinne der Glaubwürdigkeit der Abgeordneten liegen, wenn diese Unklarheiten über ihre Nebeneinkünfte auch noch auf ihre Vergütungen für ihre Arbeit ausgeweitet wird.
Damit erweisen die obersten Diener an der Demokratie und dem Vertrauen in den Rechtsstaat keinen guten Dienst.
Außerdem entziehen sie sich damit der Verantwortung gegenüber ihren Wählern.
Auf die »ausschließliche Verantwortlichkeit gegenüber dem Wähler« hat das Verfassungsgericht ausdrücklich in seinem Urteil hingewiesen.
Doch kein Wähler honoriert die Entscheidung der Verfassungsrichter mit seiner Zustimmung.

Auch die anerkannt rechtschaffenen Abgeordneten dürfen dem Verfassungsgericht bei dieser Entscheidung nicht die Hand reichen.
Dabei sollten sie die Richter am Verfassungsgericht verfassungsgemäß unterstützen und nicht durch verfassungsfeindliche Entscheidungen, dazu beitragen, die Verfassungsmäßigkeit der Bundesrepublik Deutschland auszuhöhlen.

Die ersten Diener des Staates sind auch die Ersten, die die Verpflichtung zu erfüllen haben, die Verfassung und ihre Forderungen und Verpflichtungen einzuhalten.
Sie dürfen keinesfalls darin die Ersten sein, die sich in eigener Sache über den Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung hinwegsetzen. Damit geben sie ein schlechtes Beispiel.

Oder nähern sich die Visionen eines George Orwell in unserer Zeit der Wirklichkeit?
"Alle Tiere sind gleich. Nur einige sind gleicher."


12. August 2010 © Heinz Kobald


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(1) Quelle: Die Welt, 12. August 2010, 13:16
Karlsruher Entscheidung
Steuerfreie Pauschale für Abgeordnete ist rechtens
3.969 Euro erhalten Bundestagsabgeordnete steuerfrei im Monat.
Das Verfassungsgericht rechtfertigt das mit ihrer besonderen Stellung.

(2) BUNDESVERFASSUNGSGERICHT- 2 BvR 2227/08 -/ - 2 BvR 2228/08 -