Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
Startseite / Deutschland / Freihandelsabkommen TTIP
Absicherung von Investitionen in Freihandelsabkommen
Das Freihandelsabkommen mit den USA ist der Tod der Demokratie in der EU, Foto: DPAStaatshaftung für Kapitalrisiko






Die Schiedsgerichte des TTIP sind ein Angriff auf das Rechtssystem in Demokratien,
Foto: dpa



Staatshaftung für Kapitalrisiko


Warum sollte ein Staat das Risiko für fremdes Kapital tragen?
Was haben die beiden miteinander zu schaffen?
Aus welchem Grund sollte ein Staat für die Gewinnerwartungen eines privaten Investors haften? Wie kommt das zusammen?
Welche Ansprüche hat das private Kapital an einen Saat?
Hätte sich das Karl Marx träumen lassen als er das "Kapital" schrieb?
Daran dachte er wohl kaum.

Aber hinter verschlossenen Türen denken die darüber nach, die ihr Kapital gegen ein Risiko der Investition absichern wollen.
Sie haben sich den Staat als Ersatzleistenden für ihre Gewinnerwartung zum Ziel gesetzt.
Wer daran denkt, die Bedrohung mit Armut bei jedem Sechsten in Deutschland würde sich mit diesem Frei-Handels-Abkommen TTIP auflösen, der wird bitter enttäuscht werden.

Die Revolution des Computers hat dem Menschen schon einen Raum eröffnet, mit dem Druck auf wenige Tasten immense Datenmengen in Bewegung zu setzen, die kein menschliches Gehirn so schnell aufzufassen vermag.
Das Abheben des Menschen aus der Erdanziehung wäre ohne die Leistung dieser Rechenmaschinen nicht möglich gewesen.
Was aber die Lobby des um die Welt wandernden Kapitals von den Staaten einfordert, in deren Wirtschaft es zum eigenen Gewinn investiert werden soll, das übertrifft beide an Unvermessenheit.

Was bedeutet das, wenn ein Staat in Haftung genommen wird?
Was geschieht da?
Mit welchem Kapital haftet ein Staat für ein anderes Kapital?
Wie erwirbt ein Staat das Kapital, mit dem er in Haftung genommen werden soll?
§ 3 Absatz 1 der Abgabenordnung ist die Grundlage für die "Kapital-Beschaffung" des Staates:
"Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, … "

Wenn demnach die Steuern Geldleistungen der Bürger sind, die sie nicht als Gegenleistung für eine bestimmte Leistung des Staates betrachten können, wie sollte dann ein Kapitalinvestor außerhalb von Deutschland für die Gewinnerwartung seiner Geldanlage in Deutschland eine Absicherung aus diesen Steuergeldern verlangen dürfen?

Die Aufgabe von Steuergeldern ist es nicht, das Risiko eines Kapitalinvestors zu tragen.
Diese Verwendung von Steuergeldern hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.
Der Sinn und der Zweck bei der Verwendung von Steuergeldern ist ausschließlich auf das Gemeinwohl der Gemeinschaft der Bürger ausgerichtet. Die Gewinnerwartung eines Kapitalinvestors abzudecken, gehört mit Gewissheit nicht zu diesen Aufgaben.
Hinzu kommt das wirtschaftliche Interesse des Geldanlegers, dem Staat, in dem er sein Kapital gewinnbringend "arbeiten" lassen will, möglichst keine bis äußerst geringe Steuern abzugeben.

Zudem verstößt es - wenn es eine rechtliche Grundlage dafür geben sollte - gegen einen anderen Grundsatz: Gleiches Recht für alle.
Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland:
"Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich."

Ein inländischer Kaptalgeber hätte an den Staat seines Wohnsitzes keinen Anspruch auf den Schutz seines Kapitals. Mit welcher Begründung sollte ihm das verweigert werden, was ein Investor aus dem Ausland für sich in Anspruch nehmen will?

Da taucht das Wort über die "Marktgerechte Demokratie" von der erfindungsreichen Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel wieder auf. Übernimmt jetzt die Lobby des Kapitals doch die Arbeit der Legislative? Aber nur mit dem Ziel der eigenen Gewinnmaximierung, keineswegs zum Gemeinwohl derer, die durch ihre Arbeit dem Kapital erst den Ertrag erwirtschaften. Das Kapital selbst "arbeitet" in diesem Sinne ja keineswegs.
Das gesamte Ansinnen der Kapital-Lobby steht nicht im Raum der Verfassungsmäßigkeit eines Rechtsstaates. Zum einen wegen der Zweckentfremdung von Steuergeldern und zum anderen wegen der Einseitigkeit des Kapitalschutzes nur für Investoren aus dem Ausland.

Dagegen steht auch:
Das Recht auf Arbeit wird in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht als Menschenrecht verstanden.
Die Erklärung der Menschenrechte fordert in Artikel 23 das Recht auf Arbeit und gerechte Entlohnung. Da ist der Streit um eine Frauenquote nur politische Augenwischerei der Streitparteien.

Solange das Recht auf Arbeit als Menschenrecht nicht durchgesetzt wird, ist ein Recht auf Ausgleich eines Kapitalrisikos durch Steuergelder undenkbar. Diesen Ausgleich darf es ohnehin aus Verfassungsgründen wegen der Zweckgebundenheit für die Verwendung von Steuergeldern nicht geben.
Das Paradoxon kann durchaus eintreten, dass Arbeitnehmer durch die Absicherung des Kapitalrisikos ihren Arbeitsplatz verlieren. Wer tritt für die Absicherung ihrer Lebensgrundlagen ein, ohne sie einer Minderung auszusetzen? Ihr Arbeitsplatz wird vom Staat nicht abgesichert, wohl aber das ihren Arbeitsplatz vernichtende Kapital aus dem Ausland.

Das ist ein Angriff auf das Rechtssystem eines Demokratischen Staates.
Dieser Angriff ist einem Terrorangriff gleichzusetzen, denn es wird die Rechtmäßigkeit eines Öffentlichen Rechtsweges vor Ordentlichen Gerichten nicht eingehalten sondern in Wirklichkeit ausgesetzt.

Das Volk hat nach der Verfassung ein Recht auf Widerstand, wenn der Staat durch einen Angriff bedroht wird. Dieser Angriff muss nicht mit Waffen von außen geführt werden.
Das Recht des Volkes auf Widerstand in Artikel 20 ist zum Schutz des Rechtsstaates in die Verfassung aufgenommen worden.

Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland fordert zu einem verfassungsgemäßen Widerstand auf.
"Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."

In Deutschland scheint die Angst vor 100 Salafisten größer zu sein als vor dem Investitionsschutz für Kapitalgeber aus dem Ausland. Die Regierung in Berlin macht sich nur Gedanken über die einzusetzenden militärischen Waffen gegen den Islamischen Staat im Mittleren Osten.
Doch welche "Waffen" setzt sie denen entgegen, die jetzt schon den Angriff auf unseren Rechtsstaat hinter verschlossenen Türen planen?
Hier findet ein Akt des Terrors mit den subtilen Mitteln der Lobby statt.
Ein Akt des Terrors muss nicht unmittelbar das Leben unschuldiger Menschen mit dem Tod bedrohen. Ein Akt des Terrors kann sich auch auf die Beseitigung einer bestehenden Rechtsordnung richten.

Die Steuer- und Staatsbürger in Deutschland verhalten sich angesichts dieser Bedrohung zu ruhig.
Sie scheinen etwas vergessen zu haben.
In Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist die Grundlage jeder Staatsgewalt in einem demokratischen Rechtstaat eindeutig genannt:
"Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus."

Von der erlaubten Mitwirkung einer Lobby bei der politischen Willensbildung oder gar bei der Gesetzgebung ist im gesamten Grundgesetz nichts zu lesen.
Selbst für das Wirken von Parteien gilt ein Recht schaffender Rahmen.
Artikel 21 Absatz 1 bestimmt:
"Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit."
Sie bestimmen also nicht diese Willensbildung des Volkes als einen Auftrag der Verfassung, sondern ihnen wird nur der Platz von Mitwirkenden eingeräumt.
Absatz 2 stellt Forderungen an die Innere Ordnung der Parteien:
"Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen … sind verfassungswidrig."

In Artikel 20 Absatz 3 ist bestimmt:
"Die Gesetzgebung ist an die verfassungsgemäße Ordnung, ...
und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden."


In diesem Raum der Verfassung ist kein Platz für außergerichtliche Gremien von sogenannten Sachverständigen, die beabsichtigen, den Staat und seine Organe für eine entgangene Gewinnerwartung von Kapitalinvestoren aus dem Ausland in Anspruch nehmen zu wollen.
Was für die in der Verfassung genannten Parteien gilt, ist ohne Einschränkung auf sogenannte Schiedsgerichte anzuwenden, die sich aus ungewählten Sachverständigen zusammensetzen, die u.U. auch nicht die Voraussetzungen für die Beanspruchung des passiven Wahlrechts in der Bundesrepublik erfüllen. An den Gerichten in Deutschland und in anderen EU-Staaten wird kein Richteramt an einem Gericht mit Personen besetzt, die nicht die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Staates besitzen. In den Schiedsgerichten des TTIP würden Sachverständige sitzen, die weder die geforderte Staatsangehörigkeit noch die Befähigung zum Richteramt besitzen.
Sie sind nicht Teil der berechtigten Personen im Sinne von Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes. Damit haben sie auch keine Entscheidungsbefugnis über eine Staatshaftung für das Kapitalrisiko ausländischer Investoren.


25. Oktober 2014 © Heinz Kobald